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sdaj-s - 3. Nov, 23:11
Überfüllte Klassen, Büchergeld, Leistungsdruck und kein Ende in Sicht. Es ist Zeit sich zu wehren!
Immer das gleiche Spiel: Regierungspolitiker erklären Bildung zur Chefsache – es passiert aber nichts. Schlimmer noch: Sie halten unbeirrt am Bildungsabbau fest – auf Kosten unserer Zukunft. Während Bundeskanzlerin Merkel medienwirksam die „Bildungsrepublik Deutschland“ ausruft und zu Bildungsgipfeln einlädt, fällt vor allem eines an Merkels Statements vor der Presse auf: KEINE konkreten Aussagen, wie der Bildungsnotstand an deutschen Schulen bekämpft werden kann.
Bildungsabbaurepublik Deutschland
Wie groß der Handlungsbedarf ist, unterstrich der jüngst von der Kulturministerkonferenz veröffentlichte „Nationale Bildungsbericht 2008“: 76.000 Jugendliche verlassen jährlich die Schule ohne Schulabschluss. Immer noch werden Kinder aus Erwerbslosen- und Arbeiterfamilien im Schulsystem systematisch benachteiligt, wie es bereits die PISA-Studie festhielt. Nach ihr haben Akademikerkinder in der BRD eine drei Mal größere Chance, das Gymnasium zu besuchen, als Kinder aus Facharbeiterfamilien.
Auch wie das dreigliedrige Schulsystem dafür sorgt, Jugendliche auf’s gesellschaftliche Abstellgleis zu stellen, zeigt der Bildungsbericht. Demnach haben 40% der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss auch nach 30 Monaten keine Ausbildungsstelle. Wer erst Mal die Hauptschule besucht, hat demnach auch kaum eine Chance, seiner Perspektive als Hartz IV-Empfäger zu entgehen: Nur 3 % der SchülerInnen wechseln auf eine andere Schulform und zwei Drittel von ihnen steigen dabei von einer höheren auf eine niedrigere Schulform ab.
Unter anderem Dank Studiengebühren, sieht’s auch für Jugendliche mit Abitur in der Tasche düster aus. Das spiegelt sich z.B. darin wider, dass die Studienanfängerquote in der BRD zwischen 35 und 37 % liegt, wohingegen zum Beispiel Schweden auf eine Quote 76 % verweisen kann. Einen entscheidenden Beitrag zu diesem Tiefstand an StudienanfängerInnen im Vergleich zu anderen Industrieländern leistet jedoch auch der zunehmende Leistungsdruck an den Gymnasien durch die Einschränkung der Fächerwahl im Abitur, versetzungsrelevante Abschlussarbeiten am Ende der zehnten Klasse usw. Die derzeitige Verküruzng des Abiturs („G8-Abi“) von 13 auf 12 Jahre – also die faktische Verdichtung des Lernstoffs – wird diesen Trend noch beschleunigen.
Her mit qualifizierter Bildung für alle – her mit der Kohle dafür!
Bildung kostet Geld. Trotz aller Lippenbekenntnisse der Regierenden können und wollen sie diesen Fakt aber nicht anerkennen. So sanken die Ausgaben für Bildung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP)* von 6,9 % 1995 auf 6,2 % 2006. Konkret schätzt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dass jedes Jahr zusätzlich 29 Mrd. in den Bildungssektor investiert werden müssten, um die Rotstiftpolitik der letzten Jahre wieder aufzuheben. Wo dieses Geld fehlt, erleben SchülerInnen ganz konkret:
Stichwort Lehrmittelfreiheit: Während kostenlose Schulbücher noch in den 90er Jahren nahezu selbstverständlich waren, werden die SchülerInnen heute in fast allen Bundesländern zur Kasse gebeten.
Stichwort Lehrermangel: Lehrermangel wirkt sich in Form von überfüllten Klassen und Unterrichtsausfall aus. So haben z.B. verschiedene Bundesländer wie Berlin oder Niedersachsen in den letzten Jahren die Zahl zugelassener Schüler pro Klasse auf 32 hochgeschraubt.
Stichwort Schulrenovierung: Undichte Fenster, kaputte Toiletten, Putz, der von der Decke fällt – diese Erscheinungen sind in deutschen Schulen keine Seltenheit. Der Grund: In den letzten 10 Jahren haben die Kommunen ihre Ausgaben für Schulrenovierungen fast halbiert.
Während Jugendlichen so auf der einen Seite durch Kürzungen das Leben in der Schule unerträglich gemacht wird, zeigt sich vor allem die Bundesregierung an anderer Stelle großzügig: Auf einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer für Reiche wird verzichtet, eine Erbschaftssteuer für Unternehmer faktisch abgeschafft und die Ausgaben für Rüstung werden ausgeweitet. So entspricht der Verteidigungsetat 2009 mit ca. 31 Mrd. Euro beinahe den 29 Mrd. Euro, die der DGB zusätzlich für Bildungsausgaben einfordert. Kurz gesagt: Weil bei SchülerInnen gespart wird, klingeln bei den Großunternehmen, Rüstungskonzernen und ihren Großaktionären die Kassen. Sie sind neben ihren politischen Vollstreckern auf Bund- und Länderebene die zentralen Bildungskiller.
Arbeiterkinder im Fadenkreuz der Bildungskiller
Die Bildungsmisere mit ihrer Rotstiftpolitik und Elitenförderung richtet sich gegen die übergroße Mehrheit der SchülerInnen – sie richtet sich jedoch in besonderer Schärfe gegen Jugendliche aus Erwerbslosen- und Arbeiterfamilien. Kein Wunder: Sie haben kein Geld, um angesichts von Unterrichtsausfall, G8-Abi und steigendem Notendruck privaten Nachhilfeunterricht zu bezahlen. Diese Familien haben auch nicht mehrere tausend Euro im Jahr übrig, um ihre Kinder an einer Privatschule anzumelden. Und erst Recht haben diese Familien kein Geld übrig, um ihren Kindern den Besuch einer Uni zu ermöglichen, so dass Hochschulen mittlerweile eine Arbeiterkinderfreie Zone geworden sind.
Alles Zufall?
Dass dies alles kein Zufall ist und die herrschenden Politiker auch keineswegs zu dumm sind, ihre eigenen Bildungsstudien zu lesen, zeigt u.a. das verbitterte Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem. Denn dieses selektive Schulsystem ist eine Garantie dafür, dass wer aus armen Verhältnissen stammt auch arm bleibt. Es ist vor allem aber für die Konzerne eine Garantie dafür, dass ihnen eine kleine Elite an den Gymnasien für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zur Verfügung auf der einen Seite und eine breite Masse an halbgebildeten und somit billigen Arbeitskräften zur Verfügung steht. Das ist die Selektion, die den Konzernen Spitzenprofite im weltweiten Konkurrenzkampf sichert – während sie vor Ort massenweise Arbeits- und Ausbildungsplätze vernichten. Daran ändert auch die u.a. in Hamburg und Berlin angestrebte Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen nichts, solange die Gymnasien unangetastet bleiben.
Und so ist es auch kein Zufall, dass in fast allen Bundesländern die Schulen immer direkter für Unternehmen geöffnet werden. Der Hebel: Schulen wird ein eigens Budget zur Verfügung gestellt, mit dem Lehrpersonal, Ausstattung etc. bestritten werden müssen. Der Haken: Das Geld reicht hinten und vorne nicht aus. Die Folge: Schulen treten in Wettbewerb untereinander, um Sponsoren aus der Wirtschaft anzuwerben. Diese investieren natürlich vor allem in Schulen, aus denen sie ihr zukünftiges Spitzenpersonal rekrutieren können. Das Nachsehen haben vor allem Schulen in sozialen schwachen Stadteilen oder Regionen – also ausgerechnet die Schulen, die wesentlich mehr Geld benötigen.
Das alles ist kein Zufall sondern hat System – das System einer kapitalistischen Gesellschaft.
Gemeinsam gegen Bildungskiller!
Die Bildungskiller in den Regierungssesseln und Chefetagen der Wirtschaft sind sich einig: Sie wollen eine kleine Elite von Fachidioten und eine breite dumme Manövriermasse heranzüchten. Sie sind sich einig – wir müssen es auch im Kampf um unser Recht auf Bildung sein. Gemeinsam müssen wir auf Bundes- und Länderebene – egal ob Migrant oder Deutscher, Gymnasiast oder Hauptschüler, Azubi oder Student – den Bildungskillern deutlich machen, dass jeder weitere Bildungsabbau auf unseren Widerstand stößt. Das ist die einzige Sprache die sie verstehen und das ist unsere einzige Chance, um unsere Zukunft in Hand zu nehmen. Allein, machen sie uns ein – nur gemeinsam gehört uns die Zukunft!
* Bruttoinlandsprodukt (BIP): Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in der BRD erzeugt wurden.
sdaj-s - 3. Nov, 22:33